Neue BMBF Forschungsförderung: 15 Mio. € zur Erforschung von ME/CFS Krankheitsmechanismen

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert weitere ME/CFS Forschungsvorhaben mit 15 Mio. € – eine Einordnung und Kommentierung der ME/CFS Research Foundation

Am 1. September hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eine neue „Richtlinie zur Förderung interdisziplinärer Verbünde zur Erforschung der Pathomechanismen von Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronischem Fatigue Syndrom (ME/CFS)“ angekündigt. Am 12. September 2023 gab das BMBF bekannt, die Erforschung von ME/CFS im Rahmen der neuen Richtlinie in Höhe von insgesamt 15 Millionen Euro zu unterstützen. Eine eigene Förderrichtlinie für die gezielte Erforschung von ME/CFS wurde vom BMBF zuvor mit Blick auf den Haushaltsentwurf 2024 bereits in Aussicht gestellt.

Diese neue Förderrichtline  ist die erste Ausschreibung der Bundesregierung dieser Art und somit ein wichtiger Meilenstein für die Erforschung von ME/CFS in Deutschland. Auch die Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger äußerte sich in den Sozialen Medien persönlich zur Bedeutung der neuen Förderrichtlinie für die ME/CFS-Forschung in Deutschland. Wir liefern an dieser Stelle eine kurze Einordnung und Kommentierung, auch vor dem Hintergrund unserer kürzlich veröffentlichten Forschungs-Förderstrategie der ME/CFS Research Foundation.


Zusammenfassung der BMBF-Förderrichtlinie

Mit der neuen BMBF Förderrichtlinie sollen mit einem Budget von insgesamt 15 Millionen Euro interdisziplinäre Verbundvorhaben zur gezielten Erforschung der Krankheitsmechanismen von postinfektiöser ME/CFS für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren finanziert werden. Antragsstellende Vorhaben sollen dabei aus vier bis sechs Projektbeteiligten bzw. Teilprojekten bestehen. Gefördert werden Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sowie Privatunternehmen. An jedem Projekt muss mindestens ein Partner aus der Universitätsmedizin beteiligt sein. Antragsstellende sollen bereits über einschlägige Erfahrungen in den relevanten Themen- bzw. Krankheitsbereichen verfügen. Eine weitere Voraussetzung für eine mögliche Förderung ist die Beteiligung von Patient:innen im Forschungsprozess der Vorhaben.

Die Erforschung der Ursachen und Mechanismen von ME/CFS steht im Fokus der zu fördernden Projekte, wobei folgende Fragestellungen beantwortet werden sollen: 

  • Welche Faktoren begünstigen das Auftreten einer ME/CFS?
  • Welche Ansatzpunkte bestehen für eine Prävention der Erkrankung?
  • Gibt es Subgruppen von postinfektiöser ME/CFS und können diese mit Hilfe zuverlässiger Biomarker erkannt und unterschieden werden?
  • Welche Ansatzpunkte gibt es zur Beschleunigung der Diagnose?
  • Was sind Ansatzpunkte für die Entwicklung von neuen, wirksamen und zielgenauen Behandlungsoptionen und Versorgungsangeboten?

Laut Bekanntmachung des BMBF sollen die zu fördernden Projekte bereits etablierte Strukturen, Datensätze, Patient:innenregister- und -kohorten sowie Materialien zur Beantwortung der Forschungsfragen heranziehen. Auch neue Daten und Bioproben können im Rahmen der Projekte gesammelt werden, sofern diese noch während der Projektlaufzeit nutzbar sind. Zudem wird Wert auf eine umfassende klinische Phänotypisierung der zu untersuchenden Patienten:innenkohorten gelegt, um der Komplexität des Krankheitsbildes gerecht werden zu können. 

Vor diesem Hintergrund sollen u.a. folgende Arten von Projekten finanziert werden:

  • Zusammenführung, Harmonisierung und Analyse verschiedener Datenquellen und Materialsammlungen zur Identifizierung genetischer, zellulärer und molekularer Pathomechanismen (zum Beispiel klinische Daten, Biomaterialsammlungen, pathologische, zellbiologische und physiologische Befunde, bildgebende Verfahren und Omics-Daten); 
  • Untersuchungen an relevanten Modellsystemen, wenn sie einen Bezug zu den klinischen Fragestellungen haben und die klinische Forschung synergistisch ergänzen;
  • Identifikation neuer prädiktiver, diagnostischer oder prognostischer Biomarker mit Relevanz zur Stratifizierung von Patient:innengruppen;
  • Identifikation relevanter Targets zur Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze.

Förderfähig sind somit Projekte aus den Bereichen der präklinischen und klinischen Forschung zur Erforschung der Krankheitsmechanismen mit dem Ziel diagnostische und therapeutische Ansatzpunkte zu identifizieren. Nicht gefördert werden im Rahmen der Förderrichtlinie Projekte, die sich ausschließlich mit Datenmodellierung befassen, oder konfirmatorische präklinische und interventionelle klinische Studien (inklusive Therapiestudien). Förderanträge können bis zum 11. Dezember 2023 eingereicht werden. Alle Informationen zur Förderrichtlinie sowie die Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme durch Antragsstellende mit dem Projektträger Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) finden sich in der Bekanntmachung des BMBF.


Was bedeutet die BMBF-Förderrichtlinie für die ME/CFS Forschung und für unsere Arbeit?

Als ME/CFS Research Foundation begrüßen wir die aktuelle Ausschreibung des BMBF und freuen uns über die darüber ausgedrückte Priorisierung der Bundesregierung für die Erforschung von postinfektiöser ME/CFS. Wir werten die Förderrichtlinie als einen weiteren wichtigen Meilenstein in der gezielten Erforschung dieser schweren und komplexen Erkrankung, von der allein in Deutschland schätzungsweise mehr als 500.000 Menschen betroffen sind. Mit dem neuen Förderbudget von 15 Mio. EUR finanziert das BMBF dadurch ab 2024 zusätzliche Verbundvorhaben zur Erforschung von ME/CFS. Damit ergänzt diese Förderung die bereits seit 2022 bestehenden ME/CFS Forschungsverbünde:

  • Nationale Klinische Studiengruppe (NKSG) – gefördert mit 10 Mio. Euro, aktueller Förderzeitraum 2022-2023 (mehr Informationen dazu hier und hier
  • Immune Mechanisms of ME (IMMME) – gefördert mit 2,2 Mio. Euro, aktueller Förderzeitraum 2022-2025 (mehr Informationen dazu hier und hier). 

NKSG und IMMME sind ebenfalls durch das BMBF finanziert. Eine Anschlussfinanzierung für die NKSG, die aktuell noch bis Ende 2023 finanziert ist, wurde zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beschlossen. Hierzu laufen noch die Verhandlungen zum Haushalt der Bundesregierung für das Jahr 2024. 

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) fördert zudem den Aufbau eines ME/CFS-Registers und einer ME/CFS-Biobank. Beides sind wichtige, grundlegende Voraussetzungen für die biomedizinische Forschung (mehr dazu hier und hier).

Die bisher verausgabten öffentlichen Fördermittel reichen jedoch nicht aus, um der ME/CFS-Krankheitslast in der Bevölkerung gerecht zu werden. So besteht zum Beispiel akuter Finanzierungsbedarf für die Umsetzung von klinischen Studien (inkl. Therapiestudien) für das gesamte Krankheits- und Schweregradspektrum von ME/CFS. Es bedarf dringend weiterer Fördermaßnahmen, um den erheblichen Rückstand in der ME/CFS-Forschung zu schließen und den großen Versorgungsnotstand angesichts bisher fehlender ursächlicher Therapiemöglichkeiten nachzukommen. Dafür braucht es in Deutschland in erster Linie eine langfristige und angemessene Finanzierung für die gezielte ME/CFS-Forschung durch öffentliche Mittel. Diese Investition sollte nicht nur Projektvorhaben fördern, sondern auch den Aufbau von weiteren Forschungs-Kompetenz-Zentren ermöglichen.

Bei öffentlichen Ausschreibungen und Fördervorhaben handelt es sich meist um bürokratisch anspruchsvolle und langwierige, in Teilen unflexible Verfahren. Als Foundation setzen wir genau an diesem Punkt an und wollen zur Schließung von Wissenslücken im Kontext einer sich dynamischen entwickelnden ME/CFS-Forschungslandschaft gezielte Projektvorhaben schnell, unbürokratisch, und flexibel finanzieren. Mit unserer kürzlich veröffentlichten Forschungs-Förderstrategie und der Bekanntgabe unseres wissenschaftlichen Beirats liefern wir dafür das passende Fundament. Aktuell arbeitet die Foundation an der Förderung von wissenschaftlichen Vorhaben, die als wichtige Komplementärprojekte zu den großen BMBF und BMG-geförderten Verbundvorhaben (v.a. NKSG, IMMME, ME/CFS Register & Biobank) agieren und noch nicht durch öffentliche Fördermittel abgedeckt werden. Nähere Informationen hierzu werden wir zeitnah bekanntgeben. 

Auch die internationale Vernetzung von ME/CFS-Forschenden ist nicht Teil der staatlichen Förderung. Mit der ME/CFS Research Conference, die wir am 13. Und 14. Mai 2024 erneut gemeinsam mit dem Charité Fatigue Center (CFC) und dem MRI Chronisches Fatigue Centrum für junge Menschen (MCFC) ausrichten werden, finanzieren wir einen wichtigen Teilaspekt der ME/CFS-Forschung ausschließlich mit privaten Spenden. Als Foundation arbeiten wir zudem intensiv an der systematischen Aufbereitung des aktuellen Stands der ME/CFS-Forschung und aktueller Projektvorhaben. Mit einem eigens dafür angelegten „ME/CFS Research Register“ werden wir noch in diesem Jahr eine für die ME/CFS-Forschung in Deutschland (und später international) zentrale digitale Plattform zur öffentlichen Nutzung an den Start bringen (vgl. dazu auch unsere Ankündigungen auf dem ME/CFS Symposium im Mai 2023). Auch diese Arbeit wird über private Spenden an die Foundation finanziert.

Zusammengefasst adressieren die aktuellen Förderrichtlinien der Bundesregierung dringend notwendige Maßnahmen. Langfristig braucht es mehr finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln für die Erforschung der ME/CFS-Krankheitsmechanismen, die Entwicklung diagnostischer und therapeutischer Targets, die Sammlung von Bioproben und Daten sowie für die Bildung genau phänotypisierter Patient:innen-Kohorten. Als Foundation werden wir Projekte und Teilaspekte aus diesen Bereichen mit Einnahmen aus privaten Spenden dort finanzieren, wo eine staatliche Förderung bisher nicht greift. Zum anderen treiben wir mit unserer Arbeit die internationale Vernetzung von ME/CFS-Forschenden und die Aufbereitung und Sichtbarkeit des bisherigen Forschungsstandes entscheidend voran. Öffentliche Fördermaßnahmen und spendenfinanzierte Vorhaben agieren so Hand in Hand, mit dem gemeinsamen Ziel ursächliche Therapien zu entwickeln und die Versorgung der ME/CFS-Patient:innen nachhaltig zu verbessern.


Wie kann man die Arbeit der ME/CFS Research Foundation unterstützen?

Vor uns liegt noch ein weiter Weg bis Diagnose, Versorgung und Therapie von ME/CFS Betroffenen eines Tages medizinischer und sozialer Standard werden. Wir als ME/CFS Research Foundation fokussieren uns auf die biomedizinische Forschung, in der wir das Schlüsselelement zur Lösung dieser Probleme sehen (mehr dazu in unserer Förderstrategie). Dafür brauchen wir umfassende Unterstützung von privaten Spendenden – Betroffene, Angehörige, Familien, Freunde, Vereine, Schulen, Netzwerke, Unternehmen, Initiativen, Veranstaltende und alle Unterstützenden. Und wer nicht direkt fördern kann, kann unsere Story teilen und so andere motivieren zu helfen. Denn nur gemeinsam ist so ein Kraftakt möglich.

Wir überführen Spenden und sonstige Unterstützung vollständig in wissenschaftlich exzellente Forschung, Vernetzung und schließlich sichtbare Erfolge, d.h. bessere Diagnostik und Therapien. Dabei arbeiten wir mit anderen Organisationen und Initiativen gerne zusammen – kommen Sie auf uns zu! 

Wir freuen uns über jede Unterstützung!

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