Mit der „Nationalen Dekade gegen Postinfektiöse Erkrankungen” hat die Bundesregierung in Deutschland den akuten Versorgungsnotstand und immensen Forschungsbedarf zu ME/CFS (Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronischem Fatigue-Syndrome) und Long COVID erkannt. Am 17. Dezember fand zur „Nationalen Dekade” ein öffentliches Fachgespräch im Bundestag statt. Neben weiteren Expert*innen war auch Jörg Heydecke, Gründer und Geschäftsführer der ME/CFS Research Foundation, als Sachverständiger im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung geladen. Im Folgenden sind die zentralen Forderungen der Foundation aus der Veranstaltung zusammengefasst.
Die vollständige schriftliche Stellungnahme der ME/CFS Research Foundation (externer Link) sowie Details zum Fachgespräch und die gesamte Liste der Sachverständigen können auf der Website vom Forschungsausschuss (externer Link) eingesehen werden.
Postinfektiöse Erkrankungen bzw. postakute Infektionssyndrome (PAIS) in Form von ME/CFS und Long COVID bzw. Post-COVID-Syndrom betreffen alleine in Deutschland über 1,5 Millionen Menschen (Stand 12/2024). Die gesellschaftlichen Kosten beider Erkrankungen im Jahr 2024 beliefen sich auf 63 Milliarden Euro. Für den Zeitraum 2020-2024 beliefen sich die kumulierten Kosten auf rund 250 Mrd. Euro. ME/CFS und Long COVID stellen somit eine immense und langfristige Herausforderung für die Gesellschaft dar, wie aus einer Analyse der Foundation und Risklayer hervorgeht.
Mit der „Nationalen Dekade” (externer Link) ebnet die Bundesregierung, insbesondere das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR), den Weg für ein ambitioniertes und strategisch orientiertes Forschungsprogramm. Im Zeitraum 2026-2036 sollen insgesamt 500 Millionen Euro (50 Mio. Euro/jährlich) für die Erforschung postinfektiöser Erkrankungen verausgabt werden. Aus Sicht der Foundation sind für die strategisch sinnvolle, d. h. bedarfsorientierte und zielführende Verwendung der zur Verfügung stehenden Fördermittel folgende Aspekte u. a. von zentraler Bedeutung:
Fokus auf biomedizinische Forschung und Therapieentwicklung
Stand heute gibt es für ME/CFS und Long COVID keine ursächlichen Therapieoptionen. Nur diese können jedoch die erheblichen gesellschaftlichen Kosten reduzieren. Aufgrund mangelnder Forschung und als Folge jahrzehntelanger Stigmatisierung sind die Ursachen der Erkrankungen bisher nicht ausreichend erforscht. International besteht jedoch ein Konsens dazu, dass es sich bei Long COVID und ME/CFS um organische Erkrankungen handelt.
Für den strategischen Erfolg der „Nationalen Dekade” ist es von essentieller Bedeutung, alle Maßnahmen darauf auszurichten, die schnellstmögliche Entwicklung von ursächlichen und wirksamen Therapieoptionen zu ermöglichen. Fördermittel sollten ausschließlich für die Unterstützung und Ermöglichung von biomedizinischen Forschungsvorhaben verausgabt werden, d. h. sich auf die Bereiche Biomarker-, Diagnostik- und Therapieforschung fokussieren. Versorgungsforschung und dazugehörige Begleitmaßnahmen (wie z. B. Rehabilitation oder Psychotherapie) dürfen angesichts des immensen biomedizinischen Forschungsbedarfs nicht Teil der Fördermittelvergabe der sein.
Laut einer vorläufigen Datenanalyse der Foundation liegt der Anteil der Biomarker-, Diagnostik-, und Therapieforschung an allen durch die Bundesregierung (BMG (inkl. G-BA) und BMFTR) bis Ende 2025 verausgabten Fördermitteln zu Long COVID und ME/CFS (221 Mio. Euro) bei 23% bzw. 50 Mio. Euro. Für ME/CFS gesondert betrachtet liegt der Anteil bei 16-18% bzw. 35-40 Mio. Euro. Auf dieser Grundlage lässt sich eine aktuelle Unterfinanzierung der biomedizinischen Forschung konstatieren. Ziel der „Nationalen Dekade“ muss es sein, diesen Rückstand aufzuholen.

Zielgerichtete Fördermittelverwendung
Auf Basis des aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstands zu den vermuteten ME/CFS- und Long COVID-Krankheitsmechanismen sowie potenziellen therapeutischen Targets, ist es dringend geboten, mit der Fördermittelvergabe bereits ab 2026 Therapieforschung (in Form explorativer Therapie- und Phase II-Studien mit kleinen und möglichst genau charakterisierten Studienpopulationen) und begleitende Biomarker- und Diagnostikforschung zu ermöglichen.
Erkenntnisse aus der Grundlagen- und Translationsforschung bilden wichtige Voraussetzungen für die klinische Forschung. Umgekehrt betrachtet, ist ebenso die Arzneimittelforschung ein effektives Instrument der Grundlagenforschung. Es existiert bereits heute eine Rationale für die Umsetzung von klinischen Studien zur zielgerichteten Erprobung von verschiedenen Wirkstoffen zur Behandlung von ME/CFS und Long COVID. Daher muss zum schnellstmöglichen Zeitpunkt eine Parallelisierung von Grundlagen-/Translationsforschung und klinischer Forschung (in Form von Therapiestudien u. a.) erfolgen. Über eine solche Parallelisierung lassen sich die bereits vorliegenden wissenschaftlichen Konzepte und Hypothesen zu den Krankheitsmechanismen von ME/CFS und Long COVID anhand der Testung von existierenden Wirkstoffen an Patient*innen überprüfen.
Ziel muss es sein, frühestmöglich klinische Ergebnisse zu potenziellen therapeutischen Targets und darauf abzielenden Arzneimittel zu generieren und validieren, damit diese nachgelagert in größer angelegten Studien erprobt werden können. Die übergreifende Handlungsmaxime der „Nationalen Dekade“ muss ein größtmöglich zu generierender Zeitgewinn bei der Therapieentwicklung und Überführung in die flächendeckende medizinische Versorgung sein.
Um dies zu erreichen, sollte ab 2026 eine Fortführung und Mittelaufstockung für bereits für ME/CFS und Long COVID etablierte klinische Studien- bzw. Studienplattformen (für drug repurposing u. a.) ermöglicht werden. Die Umsetzung von explorativen Therapiestudien bis hin zur Umsetzung von Phase III-Multicenter-Studien muss im Rahmen der „Nationalen Dekade“ zudem zentral koordiniert und auf Basis einheitlicher und harmonisierter, bereits etablierter (und weiterzuentwickelnder) klinischer Diagnosekriterien und Studienparameter erfolgen. Vor diesem Hintergrund sollte die Einrichtung einer zentralen Plattform für die Umsetzung aller klinischen Studien im Rahmen der „Nationalen Dekade“ erörtert werden. An klinischen Studien zu beteiligenden Zentren und Konsortien sollten einschlägige Erfahrung im Bereich der postinfektiösen Erkrankungen oder in relevanten biomedizinischen Bereichen vorweisen. Ein Beispiel hierfür ist die Nationale Klinischen Studiengruppe (NKSG).
Darüber hinaus sollten Anreizen für eine Beteiligung der pharmazeutischen Industrie, inklusive kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU), sowie Start-ups bei der Therapie-, und Diagnostikentwicklung geschaffen werden. Dies umfasst sowohl den Bereich drug repurposing als auch die Entwicklung von neuen Medikamenten.
Beteiligung von Patient*innenvertreter-Expert*innen
Grundsätzlich ist im Rahmen der „Nationalen Dekade“ eine umfassende Beteiligung von verschiedenen Patient*innenvertreter-Expert*innen erforderlich. Dies betrifft eine gleichberechtigte Beteiligung an zentralen Steuerungsgremien, dem Design von Förderrichtlinien, der Bewertung von Förderanträgen, sowie als Kooperations-/ Konsortialpartner*innen bei zu fördernden Projekt-/Verbundvorhaben u. a.
Insbesondere muss sichergestellt werden, dass eine umfassende Beteiligung von Patient*innenvertreter-Expert*innen mit Gruppenperspektive und spezifisches Fachwissen erfolgt. Nur so kann gewährleistet werden, dass das für die Erforschung von Long COVID und ME/CFS essentielle Wissen von Menschen mit gelebter Erfahrung, die zugleich über fachliche Expertise verfügen, bereits Einfluss findet und die strategische Ausrichtung tatsächlich unter Einschluss der Patient*innen-Sicht erfolgt. Bespiele hierfür sind die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS e.V., der Fatigatio – Bundesverband ME/CFS e.V. und die Initiative Long COVID Deutschland (LCD). Die Beteiligung von Patient*innenvertreter-Expert*innen ist eine grundlegende Voraussetzung für den strategischen Erfolg der „Nationalen Dekade“.
Weiteres Engagement der Foundation im Rahmen der “Nationalen Dekade”
Aktuell prüft die Foundation, wie eine mögliche Beteiligung an der Ausgestaltung und den Aktivitätsfeldern der „Nationalen Dekade gegen Postinfektiöse Erkrankungen” sowie der „Allianz postinfektiöse Erkrankungen: Long COVID und ME/CFS“ (externer Link) aussehen könnte. In diesem Zusammenhang freuen wir uns sehr über die Unterstützung weiterer Ehrenamtlicher, die unser wissenschaftliches Team ab jetzt mit ihrer fachlichen Expertise erweitern.
Für uns ist es von zentraler Bedeutung, einen sinnvollen und produktiven Beitrag zur „Nationalen Dekade” zu leisten. Unser Ziel ist es, mit allen relevanten Akteur*innen zusammenzuarbeiten, um gemeinsam darauf hinzuwirken, dass die Biomarker- und Diagnostikforschung voranschreitet, Therapien entwickelt und die Versorgung der Patient*innen nachhaltig verbessert wird.
In Abhängigkeit von der strategischen Ausrichtung und Fördermittelvergabe der „Nationalen Dekade” wird die Foundation das stiftungseigene Forschungsförderprogramm fortlaufend anpassen und an den sich verändernden Bedürfnissen der ME/CFS-Forschungslandschaft ausrichten. Hierzu sind wir im engen Austausch mit anderen Stiftungen, den großen Patient*innen-Organisationen und führenden Expert*innen. Über aktuelle Entwicklungen werden wir in der nächsten Zeit informieren.
Wie kann man die Arbeit der ME/CFS Research Foundation unterstützen?
Wir setzen uns dafür ein, dass Diagnose, Versorgung und Therapie von ME/CFS-Betroffenen eines Tages medizinischer und sozialer Standard werden. Als ME/CFS Research Foundation fokussieren wir uns auf die biomedizinische Forschung, in der wir das Schlüsselelement zur Lösung dieser Probleme sehen (mehr dazu in unserer Förderstrategie und im Halbjahresbericht Sommer 2025, der unsere Aktivitäten zusammenfasst). Dafür brauchen wir umfassende Unterstützung von privaten Spendenden – Betroffene, Angehörige, Familien, Freunde, Vereine, Schulen, Netzwerke, Unternehmen, Initiativen, Veranstaltende und alle Unterstützenden. Und wer nicht direkt fördern kann, kann unsere Story teilen und so andere motivieren zu helfen. Denn nur gemeinsam ist so ein Kraftakt möglich.
Wir überführen Spenden und sonstige Unterstützung vollständig in wissenschaftlich exzellente Forschung, Vernetzung der Forschenden und schließlich sichtbare Erfolge, d.h. bessere Diagnostik und Therapien. Dabei arbeiten wir mit anderen Organisationen und Initiativen gerne zusammen – kommen Sie auf uns zu!
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